Bei einem Kind mit Anaphylaxie-Risiko ist es schwer los zu lassen und die Verantwortung auf Dritte zu übertragen. Umso wichtiger ist es, dass der Start in die KiTa gut vorbereitet ist, man selber loslassen und vertrauen kann aber auch Ängste bei allen Beteiligten genommen werden.
Mit meinem Erfahrungsbericht möchte ich Euch ein paar Ideen geben.
Vor dem KiTa-Start
Unser Start in die KiTa war etwas holprig. Ein halbes Jahr vor KiTa-Start hatten wir Kontakt zur Stadt aufgenommen, um die 21 Allergien von Constantin bekannt zu geben als auch das Anaphylaxie-Risiko bei bestimmten Lebensmitteln. Uns wurde signalisiert, dass das kein Problem wäre. Zwei Wochen vorher wurde ich zu einem Eingewöhnungsgespräch eingeladen. Die KiTa-Leitung und die zukünftige Bezugserzieherin waren im Gespräch sehr überrascht über die Allergien als auch über das Notfallset, dass im Ernstfall zum Einsatz kommen würde. Sie wirkten sehr erschrocken. Zwei Tage vor Eingewöhnung erhielten wir einen Anruf, dass sie Constantin nicht betreuen könnten. Der Betriebsarzt der Kindertageseinrichtung hatte von der Betreuung eines solch gefährdeten Kindes abgeraten und die Leitung als auch die Betreuerin in Panik versetzt. Ich war verzweifelt und recherchierte.
Ein Ausschluss von Kindern von Kindertageseinrichtungen ist nur in absoluten Ausnahmen möglich. Dies ist darin begründet, dass sich Deutschland mit der Unterzeichnung der UN-Kinderrechtskonvention (UN-KRK Artikel. 2 – Diskriminierungsverbot, Artikel 23 Rechte des behinderten Kindes) und der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK Artikel. 24 – Bildung) zur Inklusion verpflichtet hat. Weiterhin haben Eltern nach §5 SGB VIII ein Wahlrecht bei der Auswahl der Betreuung und Förderung für ihr Kind.
Bewaffnet mit Rechtsurteilen hatten wir einige Gespräche mit der Stadt und der Leitung der Kindertageseinrichtung, sodass wir doch die Aufnahme und Betreuung in der KiTa erreichen konnten.
Ängste nehmen
Ich schilderte unserem Kinderarzt von den Ängsten der Erzieherinnen und fragte ihn, ob wir eine Schulung organisierten könnten. Gesagt getan. Die Erzieherinnen fanden die Idee großartig. So kam es, dass fast die ganze Belegschaft der Kindertageseinrichtung zu einer Schulung zum Arzt geladen wurde. Inhalt der Schulung waren die unterschiedlichen Allergien, die Auswirkungen je nach Lebensmittel von Neurodermitis, über Bauchweh bis hin zur Anaphylaxie. Wir besprachen die Medikamentengabe je nach Schwere der allergischen Reaktion und übten mit dem Fastjekt, dem Adrenalin-Autoinjektor die Verabreichung in den Oberschenkel. Ich war sehr froh darüber, dass die Teilnahme der Erzieherinnen sehr groß war. Es besteht immer die Möglichkeit, dass das Personal aufgrund Urlaub oder Krankheit wechselt. Dann ist es umso wichtiger, dass das Personal geschult ist und dass das Notfallset immer an der selben Stelle zu finden ist und bei Ausflügen eine Absprache darüber erfolgt, wer für das Notfallset verantwortlich ist. Den Ausdruck zum Allergie-Notfallplan gab es vom Arzt gleich mit. Er wurde von der Erzieherin zum Notfallset in der Kindertageseinrichtung gelegt. Wir hatten zwei Notfallsets - eines für unseren privaten Gebrauch und eines für den Verbleib in der Kindertageseinrichtung.
Damit sich die Erzieherinnen bei den 21 Lebensmittelallergien leichter zurecht fanden, druckte ich ihnen eine Liste mit den Allergien auf. Die Lebensmittel hatte ich farblich sortiert. Im gelben Bereich standen die Lebensmittel, die Constantin nur bei übermäßigen Verzehr zu einer Verschlechterung des Hautzustandes führten. Orange eingefärbt waren die Lebensmittel, die eine sofortige allergische Reaktion beispielsweise in Form von Pusteln führten und rot eingefärbt waren alle Lebensmittel mit Anaphylaxie-Risiko. Die Erzieherinnen konnten dadurch in den Essenssituationen besser einschätzen, ob es unkritisch war, wenn ein Kind neben Constantin saß oder ob er lieber weiter weg platziert werden sollte.
Um präventiv das Risiko zu minimieren, wurde ein Brief an die Eltern geschickt, indem gebeten wurde, den Kindern keinerlei Nüsse mitzugeben. Die Kitaleitung bat mich am Elternabend ebenfalls die Eltern zu sensibilisieren und über das Anaphylaxie-Risiko zu berichten. Der Bitte kam ich sehr gerne nach.
Gut organisiert
Damit Constantin auch in der Kindertageseinrichtung ein warmes Mittagessen genießen konnte, kochte ich am Vorabend stets eine kleine Portion mehr. Mittels einer elektrischen Lunchbox, die sich selbst erwärmt, konnte Constantin auch mittags in der KiTa eine warme Mahlzeit genießen. Da Kleinkinder sehr neugierig sind und gern auch mal die Hand im Vesper bei anderen landet, beantragten wir die Begleitung in den Essenssituationen über eine Inklusionskraft. Über die Inklusion sollen allen Menschen die gleiche Möglichkeit der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft geholfen werden. Man geht davon aus, dass selbst eine hochgradige Allergie mit einem hohen Risiko einer systemischen allergischen Reaktion als regelmäßig Behinderung anzusehen ist.
Beantragt hatten wir die Inklusionskraft beim zuständigen Sozialamt. Einzureichen waren mehrere Berichte: Ein Bericht von der Betreuungseinrichtung über den Unterstützungsbedarf, ein Bericht des Arztes zur Notwendigkeit und der Frühberatungsstelle, die sich vorab ein Bild gemacht hatte.
Auch, wenn es etwas langwierig klingt, so ging es doch recht rasch, dass wir eine Inklusionskraft bewilligt und glücklicherweise auch in Persona organisieren konnten.
Wir konnten von die Betreuung in der Kindertageseinrichtung entspannt entgegen blicken und alle genießen. Das Personal war geschult, das Set gut beschriftet am festen Ort hinterlegt. Die Lebensmittel gekennzeichnet. Jedes Vesper wurde von mir gestellt und durch die Inklusionskraft begleitet. Selbst nach dem Essen sorgte sie dafür, dass jegliche Essensreste auch von anderen Kindern restlos beseitigt und alle Oberflächen und Böden gereinigt wurden.
Es war ein harmonisches miteinander und zum Schluss ein gut eingespieltes Team.
DANKE hierfür an alle Beteiligten!
Weitere Links:
Zur rechtlichen Lage: https://www.daab.de/anaphylaxie/lehrer-erzieher/aus-rechtlicher-sicht/
Zur Inklusionskraft: https://kingkalli.de/inklusion-kindern-lebensmittelallergie-barrierefreiheit-kita-schule/
Zur Medikamentengabe in der Kindertagesstätten (DGUV Information 202-092): Kapitel Notfälle >> schwere allergische Reaktion ist ein Notfall; Jeder ist zur ersten Hilfe verpflichtet und über die DGUV abgesichert: https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/2898
Zum Handbuch zur Ersten Hilfe in Bildungs- und Betreuungseinrichtungen für Kinder (DGUV Information 204-008)
- hier S. 39 – grüner Kasten >> Gabe von Notfallmedikamenten = Erste Hilfe Maßnahme: https://publikationen.dguv.de/widgets/pdf/download/article/2769
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